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Kenntnis und Unkenntnis über Gold

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Die „Börse vor Acht“ kurz vor der Tagesschau ist eine feste Instanz in Deutschland. Am Montagabend berichtete die „Börse-vor-Acht“-Moderatorin Anja Kohl nach langer Zeit wieder einmal über Gold.

„Die Deutschen sind seit jeher Goldliebhaber. Rund 8.000 Tonnen sind in ihrem Besitz,“ erklärte Anja Kohl. Woher hat sie diese Zahl? Die Quelle hat Anja Kohl nicht angegeben, aber es gab in den letzten Jahren nur eine Quelle, die den privaten Goldbesitz der Deutschen erforschte und mit 8.000 Tonnen angab: Das waren die Forscher von Steinbeis.

Und woher wissen die Forscher von Steinbeis, wie viel Gold die Deutschen haben? Sie haben die Deutschen per Internet befragt. Die Studie basierte auf einem sogenannten Internetpanel.

Ganz ehrlich: Würden Sie per Internet gegenüber fremden Menschen angeben, wie viel Geld oder gar Gold Sie besitzen? Aber auf Basis einer solchen Datenerfassung per Internet haben die Steinbeis-Forscher hochgerechnet, dass Deutsche 8.000 Tonnen Gold besitzen. Das ist methodisch mehr als gewagt.

Ich habe mehrere Jahre lang die Marktforschung für einen Konzern verantwortet, habe gemeinsam mit Marktforschern von Research International (London), der GfK, Simon Kucher & Partners und der PbS AG München zahlreiche qualitative und quantitative Marktforschungen konzeptioniert und durchgeführt, Fragebögen entwickelt, getestet und ausgewertet. Als ich von den 8000 Tonnen Gold hörte, die die Steinbeis-Marktforscher per Internet ergründet haben wollten, kamen bei mir sofort Zweifel auf.

Es gibt eine wirklich gute Erfindung, die ich gerne nutze: das Telefon. Ich nahm also das Telefon und rief bei jemandem an, der sich seit vielen Jahren hauptberuflich mit der Erforschung deutscher Vermögen beschäftigt: Markus Schmidt von der ältesten deutschen Marktforschungsfirma, der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).

Der GfK-Forscher ist natürlich vorsichtig, was die Einschätzung der Arbeit von Kollegen betrifft. Er erklärte: „Wir fragen grundsätzlich nicht nach dem Vermögen, sondern nur nach Vertragsbesitz.“

Warum fragt die GfK nicht nach Vermögensgrößen?

GfK-Experte Markus Schmitt meinte: „Bis 100.000 Euro bekommen sie noch einigermaßen ehrliche Angaben über das Vermögen, darüber nur sehr eingeschränkt.“

Lachend ergänzte der GfK-Forscher: „Fragen können sie, aber die werden ihnen keine Auskünfte geben.“

Was die Forschung via Internet betrifft, schienen sich meine Vorahnungen zu bestätigen. Der langjährige Vermögensforscher der GfK meinte: „Natürlich kaufen auch junge Leute Wertpapiere, aber die großen Geldsummen werden von älteren Menschen bewegt. Da ist das Geld.“ Und weiter präzisierte er: „Internetbasierte Datenerhebungen sind im Finanzbereich bei älteren Segmenten immer noch problematisch. Die hochbetagten Altersgruppen, die wirklich Geld haben, erreichen sie über das Internet nur eingeschränkt.“

Wann haben die Deutschen ihre angeblichen 8.000 Tonnen Gold eigentlich gekauft? In den letzten zwanzig Jahren kann es nicht gewesen sein, denn für diesen Zeitraum trackt der World Gold Council die weltweite Nachfrage.

Bei einer Präsentation des World Gold Council in Hong Kong wurde gezeigt, wo in der Welt die großen Abnehmer von Gold sitzen: Die kurze Version der Antwort lautet: Überall, aber nicht hier.

Im Top-Ten der Goldkäufer tauchen die Deutschen gar nicht auf. Auch die einst so goldversessenen Franzosen und Briten haben es nicht in die Statistik geschafft.

Das einzige europäische Land, das überhaupt im Top Ten der Gold-Statistik auftauchte, war Italien. Und auch das lag – so erklärte der Experte des World Gold Council – nicht an der Goldliebe der Italiener, sondern an der Nachfrage der Schmuckindustrie. Die fertigen Schmuckstücke landen dann jedoch vor allem in Dubai, Hong Kong, Bombay und den USA.

Um die deutsche Nachfrage einmal in eine quantitative Beziehung zur asiatischen Nachfrage zu setzen: In den ersten sechs Monaten des Vorjahres gab es in Deutschland immer noch Auswirkungen der Eurokrise: Die Deutschen kauften 55,5 Tonnen Gold. Und das war viel!

Zum Vergleich dazu China: 485 Tonnen Gold importierte Hong Kong von Januar 2012 bis Juli 2012, rund das Zehnfache.

20 Mark, Deutsches Kaiserreich: Diese Münze war in den 50er und 60er Jahren die populärste Form, Gold zu sparen. Wegen des Mangels an 20 Mark-Münzen gab es sogar illegale Nachprägungen.

20 Mark, Deutsches Kaiserreich: Diese Münze war in den 50er und 60er Jahren die populärste Form, Gold zu sparen.
Wegen des Mangels an 20 Mark-Münzen gab es sogar illegale Nachprägungen.

Deutsche waren beim Goldkauf nicht immer so bescheiden wie heute. Es gab in Deutschland Zeiten, in denen sehr viel Gold gekauft wurde: direkt nach der Liberalisierung des Goldhandels ab 1956 und in den späten 70ern und frühen 80ern. Doch zu diesen Zeiten lag die Weltgoldproduktion weit unter dem heutigen Niveau. Die Deutschen kauften damals also nur RELATIV viel Gold.

Ab Mitte der 80er Jahre gab es in der Goldförderung eine technische Revolution: die Förderung wurde industrialisiert und mechanisiert. Die aufwändige Förderung unter Tage erwies sich als Auslaufmodell. Stattdessen begannen Bulldozer und gigantische Bagger damit, in Australien und Neu-Guinea Gold im Tagebau abzubauen. Die Förderkosten sanken, der Goldpreis sank, die Weltgoldproduktion verdoppelte sich.

Um es etwas krass auszudrücken: Genau zu dem Zeitpunkt, als sich die Goldförderung dank Modernisierung verdoppelte und der Goldpreis sank, stiegen die deutschen Käufer aus.

Dafür gab es aber ab 2003 ein ganz anderes interessantes Phänomen. Die Deutschen verkauften ihr Gold. Das Recycling, also das Einschmelzen von Altgold, erreichte eine neue Dimension. Das Recycling übertraf frühere Jahresförderungen!

Hier die eindrucksvollen Zahlen zum weltweiten Recycling

2009: 1.217 Tonnen,

2010: 1.695 Tonnen.

Dagegen die weltweite Goldförderung:

1871-75: 174 Tonnen

1906: 608 Tonnen

1956: 978 Tonnen

1965: 1440 Tonnen

Deutsche waren beim Goldkauf nicht immer so bescheiden wie heute. Es gab in Deutschland Zeiten, in denen sehr viel Gold gekauft wurde: direkt nach der Liberalisierung des Goldhandels ab 1956 und in den späten 70ern und frühen 80ern. Doch zu diesen Zeiten lag die Weltgoldproduktion weit unter dem heutigen Niveau. Die Deutschen kauften damals also nur RELATIV viel Gold.

Gold-Recycling vs. historische Goldförderung

Ob Deutsche tatsächlich 8.000 Tonnen privates Gold besitzen, müsste eine detaillierte Arbeit an Statistiken und Quellen zeigen.

Die 8.000 Tonnen, die die Steinbeis-Studie nennt und die Anja Kohl zitierte, stehen auf äußerst wackligen Füßen. Ich habe vor einem Jahr schon einmal „Top Down, bottom up“ den Goldbestand der Deutschen kalkulieren wollen, habe aber kein Datenmaterial für die späten 60er und frühen 70er gefunden. Das Datenmaterial aus den anderen Zeiträumen deutete eher auf einen niedrigeren Goldbestand hin.

Die entscheidende Frage ist, wie sich die Unternehmergeneration der Nachkriegszeit verhielt, als finanziell die Claims abgesteckt wurden. Setzte diese Generation nur auf die eigene Firma, Immobilien und Aktien? Oder kaufte diejenigen, die in den Wirtschaftswunderjahren ein Vermögen machten, wirklich sehr viel Gold?

Es ist unglaublich schwierig, auf diese Frage eine Antwort zu finden.

Etwas einfacher ist die Antwort, was aus dem Gold geworden ist, dass Westdeutsche in den fetten Jahren der Bundesrepublik anhäuften: Es gibt nach meiner Kenntnis in Deutschland heute mehr Goldaufkaufstellen als Mobilfunkshops. Ein Großteil des Goldes der deutschen Mittelschicht wurde in den letzten Jahren flächendeckend abgeliefert und eingeschmolzen.

Wer diese Vorgänge gerne illustriert haben möchte, sollte im Archiv der Fernsehsender einige Folgen des „Trödel-Kings“ anfordern. Fast in jeder Folge werden unter großem Hallo Omas Goldschmuck und Opas Münzen abgeliefert und eingeschmolzen. Dieses Gold schmückt heute indische Frauen oder lagert im Tresor der chinesischen Notenbank.

Damit soll dieses Thema beendet sein.

So, was weiß Anja Kohl noch über den Goldmarkt zu berichten? Die sympathische Moderatorin erklärt den ARD-Zuschauern den Goldmarkt: „Viele große Finanzinvestoren jedoch sind ausgestiegen, Hedge-Fondsmanager wie George Soros oder und John Paulson, früher mal US-Finanzminister.“

Sie merken es vielleicht schon: Auch diese Aussagen halten einer fundierten Recherche nicht stand.

Henry M. Paulson, Ex-US-Finanzminister Bildquelle: US-Schatzamt, Bildrechte: public domain Title 17, Chapter 1, Section 105 of the US Code

Henry M. Paulson, Ex-US-Finanzminister
Bildquelle: US-Schatzamt, CC0.

Aber der Reihe nach. Der ehemalige Goldman Sachs-Chef und Ex-US-Finanzminister Henry M. Paulson (genannt „Hank“) ist nicht identisch mit dem ehemaligen Boston Consulting-Berater John Paulson, der berühmt wurde, als er mit einer riskanten Wette auf das Platzen der US-Immobilien-Bubble setzte. John Paulson kaufte für seinen Hedge-Fonds 2009 sehr viel Gold (via SPDR-Gold-Fonds), ist aber niemals Finanzminister gewesen.

Mit George Soros und Gold ist das so eine Sache: Als er im Frühjahr 2010 Gold als „ultimative Blase“ bezeichnete, was immer wieder gerne zitiert wird, kaufte er selbst gerade Gold.

Und was der greise Devisenspekulant wirklich über Gold denkt, darüber habe ich vor einigen Monaten an dieser Stelle geschrieben.

Als die deutsche Journalistin nachhakte, was das bedeute, meinte Soros: „Wie ich gesagt habe. Es (Gold) könnte ein gutes Investment sein.”

Zu diesem Zeitpunkt erwachte der Soros-Assistent Michael aus seiner Beschäftigung mit dem Blackberry und raunzte: „Ich möchte klarstellen, dass Soros kein Gold empfiehlt.“ (Quelle: Heike Faller, „Wie ich einmal versuchte, reich zu werden.“)

Es sieht so aus, als ob Soros sehr viel von Gold hält, sich aber offiziell bedeckt hält. Zumindest hat er im kleinen Kreis schon einmal geflüstert, was der große Mega-Trend unserer Zeit ist: „Vermögensvernichtung“.

Ein anderer Moderator der „Börse vor Acht“, Michael Best, brillierte im frühen Herbst 2009 mit einem Goldmarktreport. Er berichtete, dass Italiener die Rekordpreise (ca. 750 €/Unze) nutzen, um ihre „Pretiosen“ (was für ein schönes Wort) zu Geld zu machen. Was das Verwenden seltener Wörter betrifft, hat sich Michael Best sicherlich um die deutsche Sprache verdient gemacht. Sein damaliger Tipp für Anleger, doch die Rekordpreise zum Verkauf zu nutzen, erwies sich als Flop.

Gründervater der „Börse vor Acht“, Betriebswirt und Industriekaufmann Frank Lehmann, erklärte dagegen in einer öffentlichen Diskussion: „Gold ist ein Mythos“ und riet, weiter auf Gold zu setzen.

Und wie geht es weiter?

Um es einmal so auszudrücken: Die Ereignisse der Zukunft werden dafür sorgen, dass sich die allgemeinen Kenntnisse über Gold und den Goldmarkt deutlich verbessern werden.

Die Londoner Goldbörse LBMA stellte am Freitag zum Nachmittagsfixing einen Goldpreis von 1387,00 Dollar bzw. 1052,91 Euro fest. Eine der drei gerade genannten Währungen wird auf diesem Planeten seit 4000 Jahren als Währung und Wertaufbewahrungsmittel genutzt.

 

Quellen der Woche:

B. Meyer

Der Autor dieses Artikels ist unter meyersgoldwoche@t-online.de erreichbar.

Der Autor ist ein langjähriger erfolgreicher Privatinvestor mit antizyklischer Anlagestrategie und fundamentalanalytischem Ansatz. © 2013 B. Meyer. Reproduktion und Publikation nur mit Zustimmung des Autors oder des Gold-Super-Markts, Zitate unter Verwendung der Quellenangabe.

Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen dieses Artikels geben die Einschätzung des Verfassers wieder und stellen nicht die Meinung der Firma TG Gold Supermarkt und/oder Ex Oriente Lux AG dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlagen oder Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Devisen, Rohstoffe, Emittenten oder Wertpapiere direkt erwähnt werden. Der Autor dieses Artikels ist kein Finanzberater. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sind allgemeiner Natur können eine auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestimmte Finanzberatung nicht ersetzen. Die in diesem Artikel genannten Informationen wurden nach bestem Wissen und Gewissen gesammelt und zitiert. Jegliche Haftung für die Richtigkeit der genannten Informationen ist ausgeschlossen.

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